Everglades-Challenge 2020

Von Joachim Harpprecht.

Über 100 Boote, vom NACRA 20 mit Katlegende Randy Smith über diverse Kajaks bis hin zum Stand up Board liegen am Strand von Mullet Key bei St. Petersburg, USA und warten auf das Ende der Startverschiebung. Gegen 11 h lässt der Ostwind auf 20 kn nach, so dass die ca 5 sm über die Bucht bis zur nächsten Landabdeckung für den Großteil der Flotte machbar wird. Chief, der Organisator der Everglades Challenge 2020, (Watertribe.com) bietet zusätzlich einen 2. Startpunkt weiter südlich in Landabdeckung an und verweist nochmals auf die Verantwortung jedes Skippers.

 

Gerefft und etwas unterpowert habe ich auch in den ca. 1,5 m hohen Wellen keine Probleme, und reffe in der Landabdeckung wieder aus und erreiche um 18.30 h den ersten Checkpoint bei Englewood. Mein kleiner Kat, den ich letztes Jahr vor Ort in 2 Wochen aus 3 Sperrholzplatten gebaut hatte, ist zwar sehr schnell, aber segelt recht nass und unbequem.

schappi everglades

Am nächsten Tag möchte ich bei auflaufendem Wasser den Checkpoint 2 in Chokoloskee bei Everglades City erreichen. Ab Marco Island wird es dunkel, herrliches Segeln bei 4 Bft und Sternenhimmel, dann noch 12 sm Kreuz und weitere 8 sm durch den Indian Pass bis Chokoloskee, das ich gegen Mitternacht erreiche.

Wieder in den nassen Neo, um 04 h segle ich bei ablaufendem Wasser durch die vielen Mangroveninseln wieder ins offene Wasser Richtung Flamingo. Bei Tagesanbruch herrliches Segeln unter Gennaker mit 10 kn und mehr bis ich plötzlich im Bach liege und hellwach bin! Der Wind hatte schlagartig von ca 3 auf 5 Bft aufgebriest und war spitzer geworden. Zuerst den Gennaker zurück in die Tüten dann den Kat an der Kenterleine aufrichten. Weiter mit Vollzeug halbwinds entlang der Thousand Islands. Später legt der Wind weiter zu, völlig überpowert komme ich endlich in die Landabdeckung von Sable Island, wo ich das 2. Reff einbinde und sþäter trotzdem nochmal umgepustet werde!

Inzwischen sind überall White Caps, der Wind geschätzt bei 35 kn, deshalb ziehe ich den Kat auf den Leestrand von Middle Cape und warte erst mal ab. Im Wetterbericht der Coast Guard über Seefunk wird ein Abflauen des Windes angekündigt, wenigstens die White Caps in Lee verschwinden und ich entschließe mich vor Dunkelheit bis Flamingo zu segeln. Die 10 sm Kreuz vom South Cape bis Flamingo wird nochmal hart, der kleine Kat kämpft sich tapfer durch die ca. 1 m hohen Wellen, die kleine Selbstwendefock hilft beim Wenden. Die 3. Kenterung an diesem Tag kostet nochmals Kraft und ich berge vor dem endgültigen Aufrichten die Fock, damit der Kat nicht gleich wieder umgepustet wird. In der Dämmerung stehe ich kurz vor der Hafeneinfahrt, muss aber wegen des starken Ebbstroms lange für die letzten Meter kämpfen. Zu meiner Freude bin ich 3. Boot der ganzen Flotte am Checkpoint Flamingo!

Leider muss ich auch erfahren, dass das Boot von „Sailorman“ gekentert aufgefunden wurde, er selbst wurde noch nicht gefunden! Am nächsten Morgen noch keine Spur von Sailorman, Mitte 70 und einhand mit einem bewährten 2 mastigen kleinen Einrümpfer vom Typ Core Sound 17 Mark 3 unterwegs. Am Montag, als der Starkwind einsetzte, zeigte sein SPOT Satelliten-Tracker, dass er rechtwinklig mit dem Wind vom Kurs abwich, allerdings drückte er mehrfach die OK Taste, also mir geht es gut, ein verhängnisvoller Irrtum! Sailorman, ein erfahrenenr Skipper litt unter Diabetis. Musste er zu lange sein Boot konzentriert segeln, hatte er deshalb Gesundheitsprobleme und traf falsche Entscheidungen?Wollte er schon vorher auf den mit einer Lasche gesicherten Notrufknopf drücken und drückte aus Versehen auf OK? Warum aktivierte er nicht seinen EPIRB Notsender, den jeder an seiner Schwimmweste tragen muss? Ist das im Wasser treibend bei 35 kn Wind und Gischt überhaupt möglich, wenn man die übliche Jollen „Schwimmweste“ trägt? Den genauen Sachverhalt werden wir vermutlich nie erfahren.

Unter diesen Eindrücken beschließe ich, mich etwas zu erholen und erst mit dem Nachmittagshochwasser direkt Richtung Osten die schmalen Rinnen der Florida Bay zu durchsegeln. Eine Fehlentscheidung, durch den Starkwind war einfach zu wenig Wasser da und am Abend liege ich wieder im Hafen von Flamingo, mein schöner Platz über Alles war weg! Was solls, steh zu der Entscheidung und bringe die Tour sicher am nächsten Tag zu Ende, denke ich.

Am nächsten Morgen Wind aus Nordost! Doch nicht die weitere Südroute, erneuter Versuch direkt nach Ost. Ich kann die markierten, sehr engen Channels größtenteils anliegen trotz wenig Schwert und hochgeklappten Ruderblättern und komme problemlos am Nachmittag im Ziel in Key Largo an.

Sieger über Alles nach ca. 300 sm ist Randy Smith auf dem NACRA 20 Zeit: 1 Tag und 4 h!!!
42 Crews im Ziel, davon 24 Segler, 1 von 3 SUPs!

Nach der Abschlussfeier mit Gedenkminute fahre ich von Miami mit dem Mietwagen nach Tampa, mein Boot übergebe ich dort einem 14 jährigen Segler mit dem Rat, sich langsam an den Kat heranzutasten. Dann die Nachricht, Flug startet in Miami, da Tampa keine internationalen Flüge mehr abfertigt, also wieder zurück nach Miami, der Flug London Hamburg wird gecancelt, Umbuchung nach München. Weiterfahrt im Zug mit Umsteigen in Frankfurt um 00.30 h, Weiterfahrt gegen 05 h, das kenne ich doch vom Checkpoint Chokoloskee...

Joachim Harpprecht, Watertribe Name „Schappi“