Bericht Schweizer Meisterschaft

gilbert_reschensee.jpg(24.08.2015) Vom Sieg des 2012er Contender-Weltmeister Antonio Lambertini (ITA-2561) bei der Schweizer Meisterschaft am Reschensee berichtet Gilbert Brietzke (GER-2365), unser Mann vom Walchensee, in einem herrlichen Regattabericht (unter dem Foto geht's los). Von Herzen: Viel Spaß beim Lesen!! 

 

 
 
Jede Menge weiterer spektakulärer Bilder hier: http://vet-sailing.ch  

 
Bericht von Gilbert Brietzke (GER-2365):
 
Donnertag 6.8.15 nachmittags, T ≥ 36°C, dichter Verkehr in München. Mit dem Boot noch von der WM am Haken breche ich auf Richtung Süden. Sowohl Verkehrsaufkommen als auch Lufttemperatur ließen zum Glück mehr und mehr nach, und so kam ich mitsamt Boot entspannt gute dreieinhalb Stunden später bei 10 Kelvin geringerer Lufttemperatur am Reschensee an. Ja - vor gerademal sechs Tagen stand ich noch auf 1 m ü. NN bei der WM in Medemblik und nun auf 1500 m ü. NN bei der Schweizer Meisterschaft. So hoch liegt der Reschensee in Südtirol. Obwohl mein Zelt den Sommersturm am IJsselmeer überlebte und der Segelverein Reschensee eine schöne Campingwiese direkt am See mit herrlichem Panoramablick u.a. auf den vergletscherten Ortler bereit hielt, hatte ich mich für die komfortablere Variante entschieden: Zimmer in kleinem, günstigen Hotel mit 1a Frühstücksbuffet (danke Tobias Hanke für den Tipp!). Erst Check-in, dann Boot aufbauen. Kaum hatte ich das Boot vom Trailer tröpfelte beste Contender-Gesellschaft heran. Martin Rieckh, bereits zwei Tage am See, berichtete bereits von tollem Wind am vergangenen Dienstag. Alfred war dem Aufruf vom Volker gefolgt und hatte heimische Hopfenspezialitäten mitgebracht die er freudig austeilte - und so ging der Bootsaufbau nahtlos in eine gemütliche, wachsende Runde über und die laue Sommernacht brach herein.
 
Humane Zeit für die Steuermannsbesprechung am folgenden Freitag: 11.30 Uhr. Gesegelt werden sollte zusammen mit der Fireball-Klasse auf einem Kurs: entweder Start-1-2-3-1-3-1-3-Ziel oder Start-1-2-3-1-2-3-1-2-3-Ziel. Außerhalb der Meisterschaftswertung stand für den Freitag außerdem noch die sogenannte Turmregatta an: nur eine Runde Start-1-2-3-Ziel, wobei das Relikt des alten Dorfkerns, der Kirchturm versunken im See, als 2. Bahnmarke dient, und zwar unabhängig von der Windrichtung (Süd oder Nord) und so wäre der Kurs (und der Turm) ggf. ungewöhnlich im Urzeigersinn zu runden. Startprozedur war einfach: Das Startsignal für Fireball war gleichzeitig das Fünf-Minuten-Signal für die Contender, was sich bei allgemeinen Rückrufen der Fireballs als effiziente Prozedur herausstellen sollte, da sich diese dann hinten anstellen mussten. Und auch während der Wettfahrten sollte es keine Probleme durch die gemeinsame Bahn mit den Fireballs geben.
 
So kamen am Freitag zwei reguläre Wettfahren bei schwacher abnehmender Thermikbrise aus Süd zusammen. Anschließend bei leichter Brise noch das Turmrennen, das Tobias für sich entscheiden konnten. Ich selbst war bei allen Wettfahrten weder mit Start noch Speed zufrieden und endete leider dreimal lediglich im letzten Drittel. Also fernab von den Kämpfen an der Spitze berichten zu können, wenn gleich das Feld nie sehr weit auseinander gezogen wurde, da der Kurs ziemlich klein war. Auch bei der Turmregatta konnte ich meine mittlere Position von vor der Turmrundung nicht bis nach Turmrundung halten. Pumpen war ja eigentlich nicht erlaubt…, egal. Für einmalige Fotos mit Contendern neben dem Kirchturm hat es gereicht! 
 
Das sollte das offizielle Programm auf dem Wasser gewesen sein. Aber Murphy‘s Law: Kaum waren alle Boote unterwegs Richtung Sliprampe, die Fireballs schon fast alle an Land, da briste der Wind plötzlich auf stabile 4-5 Bft. auf! Schade, für eine Wettfahrt hätte es gereicht. Einige Contender nutzen den Wind aber dazu, noch mal eine Dreiviertelstunde genüsslich halbwind Gas zu geben – vom reichlich vorhandenen Freibier bekam man anschließend trotzdem noch was ab! Dann wurden die Platzierungslisten ausgehängt – und siehe da – Überraschung: Ich war in der ersten Wettfahrt gar nicht gestartet: Na! Haben die Leute auf dem Zielboot Tomaten auf den Augen? Protest! Der sollte dann am Folgetag verhandelt werden. Das folgende Abendessen bestand aus einem Appetizer, einer Vorspeise, einem Hauptgericht und einer süßen Nachspeise. Alles sehr lecker! Tobias Hanke war nicht nur Tagessieger bei der Meisterschaftswertung und bekam damit das rote Trikot des Gesamtführenden verliehen, sondern gewann auch eine riesige (3L?) Flasche Rotwein als Gewinner der Turmwettfahrt, die er sogleich spontan spendierte! Merci!
 
Vom in Qualität und Quantität sehr guten Frühstücksbuffet meiner Unterkunft zehrte ich vor allem am folgenden Samstag, an dem wir viele Stunden (waren es sieben?) bei wechselhaften Bedingungen von 1 bis 6 Bft. auf dem Wasser sein sollten. Retter sollten für mich vor allem die lecker würzigen Tiroler Brote (mit Fenchel, Kümmel, Koriander und Co.) sein – mit Butter und belegt mit Tiroler Speck oder Tiroler Bauernsalami – superlecker!
 
Das erste Ankündigungssignal war bereits auf 8.30 Uhr gesetzt worden, erwartet wurde brauchbarer Segelwind nämlich nur am Vormittag aus nördlicher Richtung. So früh kam der Wind dann aber erst mal nicht und so konnte ich eine Protestverhandlung gegen die Wettfahrtleitung führen – denn auch ein ersegelter Platz irgendwo im Pulk zwischen dem 16. und 21. Platz war mühevoller als ein DNC und mir einen Protest wert. Bald nach der Verhandlung mit Wiedergutmachung auf Platz 19 (danke an die Zeugen Sven und Wolfgang, die in der Nähe waren) ging es um etwa 10 Uhr bei einsetzendem Wind aus Nord aufs Wasser.
 
Der Wind blies dann zunächst auch mit guten 3 Bft. aus nördlicher Richtung und mir gelang auch zur Abwechselung mal ein Start. So war ich etwa auf Platz 8 beim Luvfass. Allerdings verdoppelte sich dieser Wert wegen mehrerer taktischer Fehler innerhalb der nächsten beiden Schenkel fast. Naja – trotzdem noch besser als am Vortag. Dann zum zweiten Mal auf dem Downwind sah man, wie sich an der Leetonne das Feld der Fireballs sammelte und sich nicht mehr fortbewegte: Flaute. Das Rennen wurde wenige Minuten später abgebrochen. 
 
Etwas südlich verriet eine dunkle Wasserfläche mit einer seltsam hüpfenden Kabbelwelle die Ursache: Es gab auf dem See zwei Windrichtungen – im Süden aus Süd, im Norden aus Nord, dazwischen Kabbelsee oder Flaute. Der Südwind setzte sich durch – also musste der Kurs umgebaut werden. Es dauerte eine ganze Weile, ehe wieder gestartet werden konnte. Der Südwind wehte auf den ersten beiden Runden mit ca. 3-4 Bft., Tendenz: leicht abnehmend. Meine Position war geschätzt etwa die Mitte, als ich auf die dritte Kreuz ging. Zwei Boote, die etwas vor mir in Richtung Westufer gesegelt waren, kamen plötzlich nur sehr langsam voran. Um nicht in den flautigen Bereich reinzusegeln, legte ich um: 90° Kurswechsel auf Backbordbug. Doch lossegeln wollte das Boot nicht. Vielmehr stand ich nach ein paar weiteren Sekunden plötzlich genau im Wind – Winddreher um 45°. Querab auf Steuerbord kam Tobias Strube in Fahrt. Also wieder umlegen. Auch mich erfasste eine digital einsetzende Bö. Zügig musste ich auffieren – die Luvtonne schien plötzlich mit Halbwind erreichbar zu sein, dann war der Wind wieder fast weg. Die Wettfahrtleitung brach erneut die Wettfahrt ab. 
 
Es folgen etwa 50 Minuten turbulenter wechselhafter Wind mit 4-6 Bft. aus Nordwest, auch die Sonne hielt sich in dieser Zeit bedeckt. Manche der Böen waren kräftig und großflächig und wenn man wollte, konnte man wirklich mit einen Affenzahn über den See heizen. Viele wetterten aber einfach nur ab, um die Kräfte zu schonen. Nur mit Shorty bekleidet zog ich es vor aktiv zu bleiben, um nicht zu frieren. Die Wettfahrtleitung hatte wieder umgebaut und es wurde erneut Richtung Nord gestartet, diesmal bei ca. 4-5 Bft. Nach zwei Runden wurde wegen eines leichten Winddrehers wieder abgebrochen – leichte Verärgerungen einiger Contenderer … eine Verkürzung wäre sinnvoll gewesen. Naja – so blieb es nach bereits mehreren Stunden auf dem Wasser zunächst bei drei abgebrochenen Wettfahrten. Der Wind hatte wieder leicht abgenommen, hielt aber dann mit 3-4 Bft. aus Richtung Nord bis zum Abend durch und so konnten letztlich noch drei zunehmend sonnige Durchgänge gesegelt werden. Somit waren wir am Samstag etwa sieben Stunden auf dem Wasser. 
 
Wieder an Land gab es direkt Freibier. Erneut stand eine Wettfahrt bei mir als nicht gestartet – das gibt es doch nicht! Leicht verärgert ging ich wieder in das Regattabüro. Diesmal klärte es sich aber schnell: Abschreibfehler, kein Protest notwendig. Den Platz des Gesamtführenden musste Tobias Hanke an Antonio Lambertini abgeben. Ich selbst verhagelte mir die Ergebnisse vor allem durch schlechte Taktik. Während des Abendessens (wieder vier Gänge!) bat die Wettfahrtleitung um Verständnis für die vielen Abbrüche und versprach, dass es am folgenden Sonntag den typischen kräftigen Thermikwind geben werde… sie sollte Recht behalten.
 
Sonntag: Entspanntes Frühstücken durch später angesetzte Ankündigungssignal. So blieb für alle genug Zeit, um gut erholt den dritten Segeltag anzugehen. Es setze ein leichter Thermikwind (aus Süd) ein und die Wettfahrtleitung hob die Startverschiebung an Land auf. Der Wind briste immer weiter auf – und so wurde sehr bald bei idealen Bedingungen von 4-5 Bft. und Sonnenschein gestartet. Ich hoffte, dass ich bessere Wettfahrten hinkriegen würde. Denn 4-5 Bft., Sonnenschein, nur kleine Welle – das sind die Bedingungen, wie ich sie vom Walchensee her kenne!
 
Erste Wettfahrt: Beim Start kam ich nicht richtig frei, Umlegen war wegen weiter zurückliegender Boote auch noch nicht drin. So konnte ich erst recht spät wenden, war dann aber im deutlich freieren Wind. Ich segelte mich auf etwa Position 12 vor und legte leicht oberhalb der Layline um. Aber nein! Trapez verloren und trotzdem rausgegangen mit klarer Folge: Mann-über-Bord. Die Rettungsaktion gelang zwar recht schnell, aber das Feld war auf dem recht kleinen Kurs nie wirklich weit auseinander – und so war ich sicher um acht Plätze nach Hinten gepurzelt. Egal: Mit leichter Überhöhe, welche man sehr gut in Fahrt umsetzen konnte, bleib ich zunächst dran! Eine Runde später, wieder auf der Layline, rauscht mir die Schot heraus. Diesmal also der umgekehrte Fall: Habe keinen Kontakt mehr zum Boot außer Trapez und Pinnenausleger. Es dauerte leider eine ganze Weile, bis ich wieder weitersegeln konnte und war somit auf einen der letzten Plätze zurückgefallen. Aber auch auf diesen Plätzen wird gekämpft, denn das Feld war nicht auseinander. 
Aber auf dem flachen Raumkurs zwischen der dritten Bahnmarke und Ziel kriegte ich das Boot nicht halb so schnell wie Andreas Hohner – der noch vor dem Ziel in Luv an mir vorbeibretterte! (grübel-grübel – zu wenig Niederholer? – das muss es gewesen sein … u.a.). So hatte ich mir das jedenfalls nicht gedacht: Optimale Bedingungen, also 4-5 Bft. und Sonnenschein, und ich ersegele mir den besten Kandidaten zum Streichen! Naja – es sollten zum Glück noch drei bessere Wettfahrten folgen.
 
Zur zweiten Wettfahrt wollte ich unbedingt näher am Startboot starten und früh umlegen. Das klappte auch halbwegs gut. Auf Steuerbordbug war dann Günther Wendl etwas vor mir. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich vollständig freikam – bei weniger Wind wäre mir das sicher nicht gelungen. Aber so konnte ich einen halben Schlag mit gefühlter super Geschwindigkeit und super Höhe Richtung Layline segeln. Wie sich in der vorherigen Wettfahrt gezeigt hatte, brauchte man nicht mehr kreuzen, um mit leichter Überhöhe auf der Layline anzukommen, denn das Ufer ließ gerade ausreichend Platz. Und die vorherige Wettfahrt hatte gezeigt, dass man Überhöhe sehr gut in Geschwindigkeit umsetzen konnte. Das sollte meine Strategie auf der Kreuz bleiben: minimale Manöveranzahl, nah ans Ufer und dann lieber mögliche Überhöhe in Speed umsetzen, als im Windschatten der Laylinesegler eventuell nochmals umlegen zu müssen. Resultat: Ich segelte im vorderen Drittel des Feldes! Die zweite Bahnmarkierung war nicht allzuweit ab vom Downwinder und so blieb man nur noch kurz hinter der Luvtonne im Trapez. Auf dem tiefen Raumkurs oder auch Vorwind zeigten aber einige Spezialisten (z.B. Gernot Goetz), wie man mit kleiner Welle und Schot arbeiten konnte, um das Boot schnell zu halten. Euphorisiert von meiner Position versuchte ich mir das auch anzueignen. Jedenfalls konnte ich meine Position in etwa ins Ziel halten (Achter!). Zwar muss man nicht immer ganz vorne segeln – man hat auch hinten spannende Kämpfe – aber weiter vornesegeln fühlt sich schon super an!
 
Die kommenden beiden Wettfahrten waren für mich im Prinzip ähnlich! Besonders anstrengend war dann noch der Schlag ins Ziel im letzten Rennen, bei dem Erich ganz knapp hinter mir um die Tonne 3 auf den Zielkurs ging und mich permanent herausforderte: anluvte – abfiel – anluvte – abfiel usw., um irgendwie an mir vorbei zu kommen. Das wäre ihm auch fast gelungen, er quetschte förmlich die letzte Kraft aus mir heraus. Ungleich der ersten Wettfahrt, wo mich Andreas ganz klar ohne Mühe abzog, konnte ich meinen wertvollen fünften Platz aber verteidigen. Also: Für Sonntag stand damit für mich Folgendes auf dem Zettel: 22., 8., 5., 5. – Für mich ein Bombenergebnis, welches mich auf Platz 14 von 28 Teilnehmern hob!
 
Nachdem man alle Boote über die recht steile Slipanlage wieder an Land hatte, begann sehr bald das allgemeine Booteverpacken. Wenn man bis zur Siegerehrung bleiben wollte, so hatte man allerdings mehr als genug Zeit dazu. Denn bei den Fireballs gab es mehrfach Korrekturen an den Listen, aber auch bei den Contendern musste protestiert und Ergebnislisten korrigiert werden. So war dem Luigi Tezza das passiert wie mir am ersten Tag: DNC in einer Wettfahrt. Es dauerte somit bis in den frühen Abend, dass die Siegerehrung stattfinden konnte. Wie bereits bekannt gewann Antonio Lambertini, vor Gernot Goetz, vor Günther Wendl. Der Team-Cup ging an die Italiener, der Durchhaltepreis an Sven Sanitz. Alle Platzierungen wurden verlesen und jeder Teilnehmer konnte sich einen ganzen Leib handgemachten Schweizer Käse abholen, die Vorderen bekamen auch noch Speck, Medaillen und Textilien (wenn ich mich richtig erinnere).
Insgesamt war es eine ganz tolle Meisterschaft, so wie es der Volker versprochen hatte! Die Contender sollten den Reschensee fest in ihre Regattakalender einplanen. Die günstige Lage mit guter Erreichbarkeit von vier Ländern aus und hohe Wahrscheinlichkeit für perfekte Segelbedingungen versprechen auch in Zukunft tolle und spannende Wettfahrten. 
 
*MITICO*
Beste Grüße
Gilbert Brietzke, GER 2365