Spiekeroog 2010 Pfingsten im Watt
Dirk Müller berichtet wie immer packend und mit Referenzen zur "Farbe der See": Pfingstsamstag treffen wir uns in Neuharlingersiel. Wir – das sind Tanja (Shorecrew), Andreas und ich mit den Booten „Arschkarte“ und „Contessa“. Ja, ja, auf dem Meer zählen die Bootsnamen und nicht die Nummern im Segel. Birgit als mein Teil der Shorecrew ist bereits mit dem Vierbeiner und meinen Eltern auf Spiekeroog.
Die Aufgabenverteilung ist klar.
Die Mannschaften riggen auf und die Shorecrew fährt die Autos auf die
Langzeitparkplätze und geht mit dem Gepäck auf die Fähre. Danach ist aktives
Warten angesagt, bis die Kante vom Slip nass genug ist.
Irgendwann ist das Bier dort, wo
es hingehört, und wir kommen mit einem Anlieger durch die Fahrrinne ins
Wattenmeer. Bei 4 Bft. aus 300° geht es zur Insel. Unterwegs sammeln wir noch
eine Seenotboje ein, die da nicht so alleine herum schwimmen sollte.
Wie es wohl auf der Nordsee
aussieht? Wir fahren etwas weiter und riskieren den Blick zwischen Spiekeroog
und Langeoog in Richtung weite See. Nun ja, bei nur 4 Bft. gibt es nicht viel
zu erleben. Außerdem wird es diesig. Also geht es in lockerer Gleitfahrt den
Priel hinein zur Insel.
Der Rest ist Standard. Große
Wiedersehensfreude unter den Seglern, Anmelden für die Regatta, Abendessen und
noch einen Absacker im „Blanken Hans“ nehmen. Dort ist die Stimmung etwas
gedrückt, weil Bayern gerade das Championshipfinale [Dirk??!!?? Championship??
Das heißt Champions League...; Anm. d. Red.] verloren hat. Das verschafft uns
Sitzplätze an der Bar – und mal ganz ehrlich, wer mag schon die Bayern? Und was
ist Fußball, wenn man Segeln kann? [Allerdings...; letzte Anm. d. Red. - versprochen...]
Pfingstsonntag und die Sonne
lacht. Wind wie gestern mit „nur“ 4 Bft aus 300°, was uns ein wenig
Kopfzerbrechen wegen unseres Yardstickwertes macht. Ob das reichen wird gegen
die Jollenkreuzer mit ihren großen Spinnackern? Wie wird sich das rechnen mit
den Damen auf dem 470er? Der Kurs ist wie immer, nur dass die Bojen etwas
verschoben liegen – aber im Prinzip wie immer. Daraus folgt, dass es einen
Vorwindstart gegen den Strom geben wird. Interessante Sache. Wo starten, wenn
man den kürzesten Mast hat? Wo werden wohl die Katamarane starten? Wo die
Dickschiffe mit ihren noch dickeren Spinnackern? Wir probieren es aus, indem
wir gleichzeitig an den unterschiedlichen Enden der Startlinie zur nächsten
Fahrwassertonne fahren. Zwei Bootslängen Vorteil vom Startschiff kommend.
Außerdem ist dort der „Janssand“, an dem wir unliebsame Dickschiffe auflaufen
lassen können.
Es ist bald Niedrigwasser und der
„Janssand“ bietet sich an, dort die Zeit zum Start abzuwarten und einen Plan
für die Contenderflotte zu entwerfen. Der erste Start wird um 12:30 Uhr sein.
Wir haben den vierten um 13 Uhr und somit genug Zeit für unsere Beobachtungen.
Auf der Steuermannsbesprechung wurde zuvor die Zeit synchronisiert mit dem
Funkwecker, der dem Startschiff als Uhr dient. Inzwischen ziehen erste
Nebelschwaden auf. Tolles Bild, wenn 20 cm hoher Bodennebel über die Sandbank
geweht wird. Fast schon gespenstisch wie in Luv ein Spinnacker ohne Rumpf durch
die Suppe näher kommt. Zwischenzeitlich verschwindet sogar die Fahrwassertonne
„OB11“, welche das Pin End der Startlinie markiert.
Und dann beginnt das Spektakel
während wir in der ersten Reihe stehen. Erster Start! Das Feld quetscht sich
dicht an den „Janssand“, um die Ebbe auszusegeln. Die Sandbank kommt ihnen
entgegen und schon bleibt der eine oder andere stehen, dreht sich um die eigene
Achse (Pirouette), haut die Maschine rein, Vollgas rückwärts und dann zurück um
neu zu starten. Das Feld entschwindet im Nebel bzw. ein paar Mastspitzen gucken
noch raus.
10 min. später der zweite Start.
Auch dieses Feld sucht die Nähe zur Sandbank – und findet sie. Der erste sitzt,
ein Jollenkreuzer geht landseitig mit hochgezogenem Schwert und Ruder an ihm
vorbei, ein Kielboot will den Jollenkreuzer landseitig überholen... Nun ja.
Zum dritten Start kommt das
Startverfahren ein wenig durcheinander, fängt sich aber wieder, so dass
Einminutensignal und Schuss-Blitz-Knall auf die Sekunde pünktlich sind. Auch in
diesem Feld sind ein paar Mutige dabei. Wir reißen uns von dieser
unterhaltsamen Vorstellung los, setzen unsere Segel und fahren an die
Startlinie. Andreas und ich fahren auf Backbordbug die Linie von der Tonne
„OB11“ zum Startschiff, gucken dabei die Dickschiffe grimmig an und fallen mit
dem Schuss ab zum Queren der Linie. Wurde auch Zeit. Das Startschiff war keine
Bootslänge mehr entfernt. An der Tonne legt die „XOZ“ unter Gennaker einen
Nullstart hin. Die anderen Katamarane folgen und ziehen raumschots vor dem Feld
vorbei.
Wegen des Nebels beschränkt sich
die Navigation darauf, sich am „Janssand“ entlang zu hangeln. Andreas ist
schnell drei Bootslängen voraus. Die Damen von dem 470er (wunderschöner
Bootsname: „Too Fat To Fly“) luven mich zur Sandbank, der ich trotz
hochgezogenem Ruder und Schwert bei 40 cm Wassertiefe eine Kerbe verpasse. Aber
ich beschwere mich nicht in der Hoffnung, dass in Lee das Dickschiff stecken
bleibt.
Nachdem die Sandbank einen Knick
macht kann man etwas luven. Leider halten 470er und Dickschiff unter ihren
Spinnackern immer noch mit. Endlich kommt eine Böe, so dass ich ins Trapez
gehen und mich nicht nur vorm Pulk lösen, sondern auch zu Andreas aufschließen
kann. Voraus kommt bereits die Bahnmarke „OB15“ in Sicht und wir setzen alle aus
Regel 42 bekannten Mittel zur Schaffung von Vortrieb ein. Dabei kassieren wir
ein paar Boote aus dem Start vor uns.
Die „OB15“ ist mit einer Halse an
Backbord zu lassen. Nur keinen Platz verschenken – auch wenn die Ebbe uns auf
die Tonne drückt und das Ding aus Stahl ist. Dann am Wind mit einem leichten
Schrick im Fahrwasser und damit im schiebenden Strom zur nächsten Marke „Boje
1“. Irgendwas klingelt ganz leise bei mir im Hinterkopf und wird langsam
lauter. Die Bahn ist so wie immer – nur nicht ganz. Alles fährt mit einem
Schrick zu der Position im Nebel, wo sonst die „Boje 1“ zu finden ist.
Kurioserweise haben wir sie aber in der Nähe der Startlinie bei „OB11“ liegen
gesehen. Müsste man dann nicht ein wenig mehr kreuzen? „Boje 1“ ist in dem
Nebel nicht zu sehen, aber das Startschiff lässt sich erahnen.
Andreas und ich tauschen noch mal
die Führung hin und zurück, bis wir um „Boje 1“ gehen, um dann im Nebel auf die
Suche nach „Boje 2“ zu gehen. Auf der Kreuz kommt der Priel von Spiekeroog in
Sicht. Dort liegen die beiden Tornados und 505er auf dem Sand und starren in
die graue Suppe. Da fragt man sich, ob das noch gute Seemannschaft ist, was wir
hier treiben? Egal! Die 505er haben wir also im Sack und Schiffsverkehr besteht
hier aus langsamen Fischkuttern und der Fähre, die bei Niedrigwasser sowieso
nicht fährt.
Die Sicht bessert sich langsam,
so dass man Tonne „OB9“ erahnen kann. Wenn der Kurs wie immer ist, sollte dort
die „Boje 2“ zu finden sein. Nun ja, nicht den ersten Start zu haben, hat auch sein
Gutes. Die Bahnmarke scheint weiter oben bei „OB7“ zu liegen und ist damit eine
richtige Luvtonne. Andreas ist vor mir. Er deckt mich zwar nicht ab, lässt mich
aber auch nicht entkommen. Das ändert sich irgendwann als ein Hobie 16 ihm die
Freiheit zum Manövrieren nimmt. Er bekommt damit zwei Winddreher nicht mit und
an der „Boje 2“ bin ich mit deutlichem Vorsprung vor ihm.
Wir finden vorm Wind ganz gut
unseren Weg durch die Jollenkreuzer und Dickschiffe hindurch und zeigen denen,
wie man einen Contender auf der Welle reiten lässt. Unser Abstand zueinander
bleibt. An Tonne „OB11“ kann man erkennen, dass der Flutstrom bereits einsetzt.
Ab hier beginnt die zweite Runde. Diesmal bei herrlichem Sonnenschein.
Bei der zweiten Runde sind wir
natürlich etwas schlauer und verschenken keine Höhe auf dem Weg von „OB15“ zur
„Boje 1“. Dennoch kann man zeitweise einen Schrick geben und die Kiste laufen
lassen. Die Dickschiffe bei „Boje 1“ knüppeln bereits volle Höhe, trauen sich
aber nicht so richtig dicht an die Bahnmarke. Wir kommen in voller Gleitfahrt
angeschossen und ich nutze den Platz zwischen Bahnmarke und Kielschiff.
Letzteres wollte eigentlich bald wenden, muss nun aber warten, bis der
Contender ihn komplett überholt hat.
Eigentlich will ich dem Flutstrom
ausweichen und mich etwas unter Land halten. Allerdings zieht Andreas quer
durchs Fahrwasser auf die andere Seite. Ich muss also mit. Auf der anderen
Seite wird es wieder flach. Wie dicht kann man ran? Die Farbe der See
erschließt sich mir nicht, dafür aber das Wellenbild. Irgendwann gebe ich es
auf Andreas zu begleiten, weil ich glaube einen noch viel besseren Weg zu
finden. Andreas rundet die „Boje 2“ mit ein paar Bootslängen Vorsprung.
Von hier geht es vorm Wind wieder
zur ehemaligen Startlinie ins Ziel. Während Andreas sich von dem Laser löst,
komme ich heran. Ein kurzer Schlagabtausch von vier Halsen lässt mich um eine
Handbreit Andreas Ruderanlage verschonen. Wir geben uns richtig Mühe, aber
weder Andreas kann den Abstand vergrößern noch kann ich ihn überholen.
Irgendwann versucht Andreas auf
einem südlichen Kurs mehr Strom zu finden, während ich hoffe, dass der direkte
Weg zur „OB11“ der schnellere ins Ziel ist. Nach einer Weile verwirft jeder von
uns die eigene Theorie und wechselt zur Taktik des anderen. Schöne Bescherung!
Andreas kreuzt zehn Bootslängen voraus meinen Kurs. Aber das Zielschiff ist
doch näher dran, so dass es richtig knapp wird. Die „Arschkarte“ geht am Pin
End mit weniger als einer Sekunde Vorsprung durchs Ziel. Was für ein Rennen! In
zwei Stunden keine Sekunde Unterschied.
Wir fahren auf den „Janssand“, wo
bereits die traditionelle Kiste Bier steht. Die „XOZ“ war trotz der drei
Runden, die sie als Katamaran zu fahren hatte First Ship Home und nimmt den
ersten Schluck. Weitere Katamarane und Jollen gesellen sich hinzu. Claas und
Miriam holen die Tasche, die sie vor der Regatta auf der Sandbank deponiert
haben und packen Pocketgrill und Würstchen aus. Das Regattasegeln im Watt hat
eben seine eigenen Regeln.
Abends auf dem Seglerball ist die
Preisverleihung und das Lose ziehen für die Sachpreise. Bei den Einrumpfbooten
ist die „Arschkarte“ schnellstes Schiff nach berechneter Zeit. Zu unserer
Überraschung haben wir das komplette Feld nach Berechnung um ca. elf Minuten
geschlagen. „Knusperblümchen“ kommt vorbei und beklagt, dass wir immer so irre
schnell sind (und dass wir dieses Jahr in der selben Gruppe fuhren). Wir sehen
darin die wahre Größe des Kompliments und finden auch ein paar warme Worte.
Pfingstmontag. Wegen der Tide geht
es am Vormittag zurück nach Neuharlingersiel. Der Wind kommt immer noch mit 4
Bft. aus 300° und lässt uns in nur 30 min. zum Festland gleiten. Die Fähre
braucht länger. Wir schaffen es noch in der Sonne einzupacken, bevor es wieder
diesig und klamm wird. Auch für ein Fischbrötchen ist noch Zeit bevor unsere
Shorecrews von der Fähre steigen.
Insgesamt war es ein gelungenes
Pfingsten. Wer also nicht immer nur Dreiecke segeln möchte, eine gute Party
erleben will und seiner Frau Inselurlaub mit minimalen Pflichten als Shorecrew
gönnen möchte, der findet hier alles vor.
Dirk Müller
anD!RKen auf „Contessa“
GER-1421