Wie man Europameister wird..

 

Europameisterschaft 2006 am Traunsee


Vorgeschichte


Am Samstag, eine Woche vor der WM, treffe ich mich mit Andrea und Giovanni am Lago di Idro, einem kleinen See westlich des Gardasees. Grund für das Training hier: Es sollen leichte thermische Winde herrschen, angeblich die Bedingungen, die uns in Österreich auf dem Traunsee erwarten. Es folgen ein paar wunderschöne Trainingstage bis ich Mitte der Woche einen Anruf von Zuhause erhalte, dass es meiner Ma nicht gut geht und ich beschließe zuerst zu meinen Eltern nach Regensburg zu fahren und nicht, wie geplant, direkt nach Österreich.

Am Sonntag Nachmittag komme ich endlich in Ebensee auf dem Clubgelände des SCE an. Wow, 95 Meldungen, nicht schlecht. Die Vermessung verläuft wie immer mehr oder weniger reibungsfrei, wenigstens muss ich nicht noch wie manch einer 4 Kilo Blei am Montagmorgen einbauen!;-)
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Das Rennen


Der Montag begrüßt uns sonnig, allerdings ist, wie am Vortag, kein Wind. Somit bleibt mir noch ein Tag zur Erholung, den ich auch gut gebrauchen kann.

Es gibt eine nette Begrüßung mit Kapelle und Bürgermeister. Dazu werden die Fahnen der teilnehmenden Nationen unter der dazugehörigen Nationalhymne gehisst! Einzig nervig war der einsetzende Sprühregen.



Dienstag, Lauf 1


Das Wetter ist schlechter geworden. Im Laufe des Tages ist Regen angesagt. Es gibt Winde aus westlicher Richtung, was bei einem See, der seinen Verlauf in Nord-Süd-Richtung hat, nicht wirklich optimal ist.

Der erste Start ist direkt vorm Club in Ebensee geplant, eingekreist von steilen Bergen. Ich gehe früh aufs Wasser, um die Kreuz schon mal absegeln zu können. Ein Hundertgraddreher ist gar nichts. Der Start wird anderthalb Minuten vorher abgebrochen, weil wir alle Halbwind über die Linie hätten fahren müssen. Warten ist angesagt. Schließlich entscheidet sich die Wettfahrtleitung uns in die nördlich Hälfte des Sees zu schicken.

Hier ist der Wind weiterhin sehr drehend, die Stärke extrem wechselhaft, aber es gibt immerhin eine Hauptwindrichtung und wie es scheint ein Muster! Von der rechten Seite der Bahn nähern sich in einem mehr oder weniger regelmäßigem Intervall dicke Böenwalzen, die leicht auf dem flachen Wasser zu sehen sind. Zwischendurch ist auf der Kante sitzen angesagt.

Der erste Start.

Etwa 2 Minuten vorm Start dreht der Wind stark links und ich versuche schnell die Seite der Linie zusammen mit Andrea zu wechseln. Etwa 20 Sekunden vor dem Startsignal wende ich schnell, unter mir Andrea und mir gelingt ein 1a Steuerbordbugstart bei 0 mit voller Geschwindigkeit über die Linie! Die Boote auf Backbordbug können kaum die Tonne anliegen. Bei freiem Wind geht's ab nach rechts, wo ich mir die nächste Bö erhoffe. Noch fahren wir im Linksdreher, der kurz vorm Start sich eingestellt hat, und die Boote über mir scheinen noch im Vorteil zu sein. Allerdings vertraue ich meinen Beobachtungen und lasse das Boot einfach laufen, versuche wenig Höhe zu fahren, weil ich nicht will, dass die Boote in Lee von mir beim erwarteten Rechtsdreher sich vor mich schieben. Dann trifft zu meiner Freude genau das ein was ich mir erhofft habe, der Wind backt ab und nimmt zu. Ich peile zur Tonne und wende ein Stück unter der Layline, um den Lift von rechts optimal ausnutzen zu können. Die Boote auf der linken Seite, die schon lange vorher in einem Windloch stehen geblieben sind, kriegen zusätzlich eins auf die Mütze. Armer Giovanni, er war am Start knapp unter mir und hat sich auf der Hälfte der Kreuz entschieden, weiter nach links zu fahren.

Am Luvfass bin ich dann erstmal 1er. Welch eine Überraschung! Hinter mir mit einigem Abstand der Holländer Bart Thorborg und dahinter Andrea.

Ab da ist alles ganz einfach. Ich gewinne vor Andrea, Rene Heijnen schleicht sich noch auf den dritten Platz vor, auf dem 4. folgt Gernot!

Puh, geschafft. Nun dreht der Wind allerdings krass nach links und nimmt ab. Ein zweiter Start wird angeschossen. Pünktlich bei 0 stellt der Wind komplett ab und es sind richtig dicke und schwarze Cumuli zu sehen, darunter schon die Blitze. Einen Moment später geht gar nichts mehr. Die gesamte Flotte liegt schwertoben da, nur Söse und ich fahren in die Richtung, in der wir die Luvtonne vermuten, die Sicht ist nämlich gleich null. Es dauert aber auch nicht lange bis alles wieder vorbei ist. Und die Luvtonne??? Da drüben! Nein, Söse, das ist nur ein gelber Kanister von irgendwelchen Fischern... Schließlich entdecken wir sie, halsen und glühen raumschots auf sie zu und runden als 5. und 6. das Fass. Danach schläft der Wind wieder komplett ein und es gibt einen Abbruch mit Verschiebung auf den nächsten Tag.


Mittwoch, Lauf 2


Der Start war für 8h angesetzt. Wieder weiter nördlich. Allerdings wollte keiner so richtig unserem Wettfahrtleiter „Flossi" Glauben schenken und somit begeben sich die ersten Boot so gegen halb 8 aufs Wasser. Zusammen mit Severin und Max zieh ich mich unter der Dusche um. Es war einfach arschkalt. Die Wassertemperatur beträgt 13 Grad, die Luft scheint mir zu diesem Zeitpunkt noch kälter!

Um 8erreiche ich schließlich (als einer der ersten) die Bahn bei schönem (wenn auch extrem eisigen) Wind. Allerdings hat dieser zum Start um halb9 schon wieder deutlich abgenommen. Und es soll auch nicht besser werden. Ich starte ganz links (bevorteilt) und lege bald um. Sieht zuerst ziemlich gut aus bis ich einen leichten aber sehr stetigen Rechtsdreher bemerke, der mich langsam nach unten drückt. Meine Position an der Luvtonne ist eine Katastrophe. Allerdings war zu meinem Glück die Pumping Flag oben und somit konnte ich die Leetonne wieder als 1. runden. An der Kreuz verliere ich dann an unseren Local hero Günther Wendl, der bei dem inzwischen stark abflauendem Wind schneller ist als ich. Knapp hinter ihm treibe ich zusammen mit Andrea, Sören und Max über die Ziellinie.

Das Rennen darauf verläuft ähnlich, wird allerdings abgebrochen als wir kurz vor der Leetonne anfangen zu kreuzen. Schade für unseren Kasi, der hatte sich nämlich bei diesen leichten seinen Bedingungen zusammen mit Rene gut vom Feld abgesetzt. Mir ist es egal, bin grad 5ter, weit vor Andrea, aber fair war das ja nicht mehr wirklich. Also hoffen wir auf den nächsten Tag!


Donnerstag, Lauf 3


Nach langem Warten werden wir endlich gegen 2Uhr aufs Wasser geschickt.

Selbe Bahn wie am Vortag. Wohl auch selbe Strategie: rechts raus unter Land und dann umlegen, allerdings nicht zu weit fahren, da sonst die Gefahr des Parktickets wieder groß ist. Ich starte, wie schon am Vortag zu weit links und werde wieder unters Feld gedrückt. Giovanni hat gleich nach dem Start umgelegt und ist mit großem Abstand erster am Luvfass. Ich bin immerhin noch unter den ersten 20und kann mich noch auf den 6. vorarbeiten. Andrea wieder hinter mir - mit großem Abstand, doch leider schafft es keiner mehr sich dazwischen zu packen. Gernot wird 3. und rückt in der Gesamtwertung bis auf 6Zähler an mich heran. Söse wird 2. und wäre mit einem Streicher (ihm ist ein Bolzen der UW im ersten Rennen gebrochen) auch wieder ganz vorn mit dabei. Rene ist auch nicht weit. Es wird also eng.


Am Abend findet das Galadinner statt. Die Musik war für meinen Geschmack wieder zu traditionell, aber na ja. Ansonsten ist es wieder ein sehr entspannter Abend mit den Burschen (Severin, Christoph E. und Max) und Kasi.

Plötzlich spüre ich starke Hände an meinen Schultern und höre Andrea's Stimme sagen: „Stop winning, Christophero Columbus!!" Ich denke kurz nach und sage: „ Sorry mate, I can't." worauf er sich umdreht und weggeht. Etwas irritiert bleibe ich zurück. War das wieder ein Versuch seiner Psychotricks? Egal, die vollkommene Entspannung folgt bei einem Unospiel mit Gernot und Kindern. Danach liege ich schließlich wieder im Auto, denke an den nächsten Start, der wieder um 8 sein soll, aber irgendwie kann ich nicht schlafen, so zücke ich den Ordner mit all meinen Segelaufzeichnungen und ende bei Backes WM Bericht aus dem Vorjahr. Er hatte mich ja noch zur Travemünder Woche gesegnet!! Und was das mit einem macht, wissen wir ja!!;-)  Ich fange an vor mich hinzuträumen, unterbinde das aber sofort wieder, da ich weiß, dass wir erst 3 Rennen gesegelt haben und ja noch alles passieren kann.


Freitag, Läufe 4, 5 und 6


Gegen halb 6 klingelt wieder der Wecker. Mein Müsli muss ich heute mit der Hand essen und ohne Yoghurt, da der alle ist und ich das Besteck noch bei den Burschen im Zelt habe.

Wieder ist es arschkalt. Und wieder treffe ich mich mit Max und Severin in der Dusche zum Umziehen.

Als einer der ersten schiebe ich mein Boot ins Wasser. Ein Schlepp ist vorbereitet. Aber der Wind setzt früh ein und ist stark, sehr sehr stark. Dazu geht langsam die Sonne hinter den Bergen auf, ein tolles Schauspiel, aber heute nur Nebensache. Wie die Tage vorher checke ich die Kreuz, mache mir meine Notizen. Das Spiel ist wieder ähnlich, rechts unter die Felswand. Allerdings liegt die Startlinie ziemlich schief. Links ist extrem bevorteilt. Zuerst kann ich Andrea, den ich ja im Auge behalten will, nicht finden. Dann seh ich ihn. Mit einem lässigen Grinsen fährt er an mir vorbei. Jo, sein deutliches Mehr an „Muskelmasse" könnte bei diesen Bedingungen schon ein Vorteil für ihn sein.

Dann der Start. Die Kühe fliegen vom Deich. Ich befinde mich Mitte rechts auf der Startlinie. Der Wind dreht links und es wird gepusht ohne Ende. Der Schuss. Shit! Sieht nicht so gut aus. Boote in Lee von mir machen meinen Wind kaputt, Andrea leicht über mir hat das gleiche Problem. Ich will wenden, aber geht nicht. So bremse ich das Boot ziemlich brutal ab, warte kurz, gehe rum und suche mir eine Lücke, knapp hinter einem fetten Pulk. In Luv von mir sind nur 2-3 Boote, das gleiche in Lee und alle nicht besonders schnell. Langsam fahre ich aus ihnen raus. Es wird Zeit sich um Andrea zu kümmern. Yes, der ist hinter mir! Fahre stumpf unter die Felswand, wende und erreiche vor ihm die Luvtonne. Etwas nervös versuche ich meinen Rhythmus für den Downwind zu finden, doch Andrea bleibt weg, der Abstand wird sogar größer. An der Kreuz scheint er wieder aufzukommen. Doch der Rechtsdreher unter Land, den ich vor ihm erreiche, macht ihm wieder alles zunichte. Schließlich entspanne ich mich etwas, baue den Vorsprung weiter aus und gewinne das Rennen zu meiner Überraschung weit vor Andrea. Dritter wird Giovanni, vierter Graham, der zu alter Form zurückzufinden scheint. Gernot, Rene und Söse folgen mit etwas Abstand und sind somit aus dem Titelkampf raus. Also nur noch Andrea und ich.


Kurz nach dem Zieleinlauf frage ich mich, ob wir noch eins oder 2 fahren. Bei noch einem hätte ich bereits gewonnen! Aber der Wind scheint da nicht mitmachen zu wollen, wenn er auch etwas abgenommen hat.

Also vorletztes Rennen, selbes Spiel. Zwischengedanke: Andrea ist bei dieser Veranstaltung ja noch gar nicht aus dem Boot gefallen...na ja...-  Doch irgendwie kommt ein kleiner Linksdreher noch zu dem abnehmenden Wind. Ich wär doch vor Andrea gewesen! Dachte ich. Doch er erreicht das Fass als erster und ich nur als 4, hinter Simon Mussell und Holger Stengele.

Mir gelingt es zwischen ihnen durch zu fahren. Allerdings ist Andrea ein ganzes Stückchen weg. An der Kreuz gewinnt er etwas, Vormwind verliert er wieder und dann letztes Dreieck, es folgt wieder ein Halbwindfinish. Andrea fährt rechts und seine Wende auf der Layline. Irgendwie sieht da was komisch aus. Das Boot bleibt stehen, treibt zurück und kentert auf ihn drauf. Und wieder: Yes! Mal schauen, ob ich das schaff. Und genau in dem Moment als Andrea wieder losfahren will, unterwende ich ihn und erreiche ganz knapp vor ihm die Luvtonne. Voller Freude und sicher über meine Raumschotsgeschwindigkeit bring ich wieder ein paar mehr Meter zwischen uns und kann den Zieldurchlauf kaum erwarten.

Und geschafft!! Bin ich nun Europameister. Ich muss noch mal nachrechnen. Und: Ja doch, müsste passen. Andrea gratuliert mir sofort und macht sich gleich auf den Weg nach hause. Ich warte noch einen Moment. Auch Graham, Giovanni und Sören gratulieren mir. Ich kann es kaum glauben. Ich warte noch auf meine Burschen und fahre sofort nach Zieleinlauf zu ihnen. Was ne Freude! Aber irgendwie doch noch so unwirklich. Schließlich folge ich Andrea in Richtung Club und lasse die Flotte zurück, die noch das letzte Rennen bestreitet.

An Land kann ich es immer noch nicht fassen. Als erstes rufe ich meinen Pa an, um ihm zu berichten.


Die Preisverteilung macht alles noch unwirklicher. Umringt von allen, stehe ich zwischen Andrea und Giovanni und höre wie die Nationalhymne gespielt wird. Danach folgt ein extrem kühles Bad im Hafenbecken. Andrea filmt noch alles. Puh, das war eine Veranstaltung.

Gratulation noch an unseren Jugendeuropameister Max Billerbeck, erst ein Jahr dabei und schon so weit vorne! Andrea versucht mir noch zu erklären, dass er hier nicht so gut drauf war und fordert mich bereits für die WM nächstes Jahr in Holland heraus, aber das ist mir völlig egal. Erstmal genieße ich diesen Moment.


Ach, und da ich ja um meine „speech" rumgekommen bin, möchte ich mich hier noch bei ein paar Leuten bedanken:


Allen voran erstmal meine Familie, die mich immer unterstützt hat, wo es nur ging und ohne die alles nie so gekommen wäre, dann bei meinem Sponsor Marlow Tauwerk, powered by Sailtec, beim TSV Schilksee und der Segelgemeinschaft Regensburg, bei Graham Scott für das schnelle Segel, das ich kurz vorher noch gekriegt hab, bei Vito Bonezzi für das schnelle und schöne Schiff, bei Schappi für die Foils (bin mit dem Steckruder und dem Kohleschwert seeehr zufrieden!!!) und für die jahrelange sonstige Unterstützung, sei es Reparaturen, Reisebegleitung, Contenderpapa oder Eisessen, bei meinem Freund Jan Kuhlmann, der immer mit großen Tipps an meiner Seite stand, bei Schultz- Segel, die mich immer unterstützt haben, auch wenn's diesmal mit den Segeln nicht geklappt hat, bei Giovanni und Andrea für das Training am Lago die Idro ;-), bei Kasi, Backe und der restlichen „Schilksee Gang", die immer mit mir trainiert haben, bei den Burschen, die mir eine sehr entspannte Woche mit viel Spaß und Lachen trotz des fiesen Wetters beschert haben und alle sonstigen Freunden, die mir die Daumen gedrückt und sich während der Regatta gemeldet haben (in erster Linie Jan Kuhlmann und Sinja).



Christoph GER 551,  Buzz Schröder (die alte Stubenn****)



P.S.  Achtung vorm schwarzen Mann!!! ;-)  Der hat sich nach seiner Schulterverletzung erfolgreich zurück gemeldet!