Bericht IDM 2019

Von Sophia Zeyse

Am Himmelfahrts-Donnerstag 2019 macht sich die Potsdamer Contender-Flotte bei strahlendem Sonnenschein auf den Weg zur Internationalen Deutschen Meisterschaft am Steinhuder Meer. Mit dabei: Andreas, Uwe und Tochter Clara, Jule, ich und ein Oldtimer-Contender. Drei Wettkampf-Tage erwarten uns, sechzig Segler haben gemeldet, davon sieben Frauen. Die Fahrt ist ausnahmsweise unter fünf bis zwölf Stunden lang, und so erreichen wir den Baltischen Segler-Verein schon am frühen Nachmittag, wo wir den Rest des Tages in der Sonne verdaddeln dürfen. Kurz vergesse ich, dass wir zum Segeln hier sind, so fühlt sich das alles nach Urlaub an.

Erster Wettkampftag. Um sechs Uhr morgens werde ich vom Regen geweckt. Das war’s wohl mit dem Sommerurlaub. Egal, wir sind nicht zum Spaß hier, also rein in die Klamotten und das neue Boot ins Wasser. Die Bahn ist nicht weit weg, und so bleibt noch ein bisschen Zeit, den ersten Anflug von Regatta-Panik bei ein paar Probeschlägen wegzusegeln. Die Wettfahrtleitung setzt auf klare Ansagen – Black Flag light beim ersten Start, nach zwei Rückrufen die schwarze Flagge. Aber dann läuft’s! Die starkwinderprobten Männer hadern noch etwas mit dem schwachen Mittelwind, aber den Damen und Leichtgewichten tut das gut. Langsam hört auch der Regen auf, und als endlich die Sonne rauskommt, geschieht mein persönliches kleines IDM-Wunder: Nach einem chaotischen Start, der hakenschlagend durch das gefühlt gesamte Feld führte, bin ich plötzlich direkt hinter Max. Was stimmt hier nicht? Na, auch Max kann sich mal vertun und in meiner Nähe rumgurken, denke ich mir. Tut er aber nicht, und ich bin Zweite an der Luvtonne. Ich bin ganz schön erschrocken. Was nun? Bloß nicht kreativ werden. Einfach weiter Max hinterher. Das klappt passabel – am Ende fahre ich als Sechste durchs Ziel.

Nicht kreativ werden, einfach Max hinterher

Ein Rennen noch! Die Sonne brennt mittlerweile richtig, ich stecke von Kopf bis Fuß in extrawarmem Winter-Neopren und mein Adrenalin-Level hat ganz ungekannte Werte erreicht. Ich kann mich an dieses dritte Rennen kaum noch erinnern, aber an das Anlege-Szenario im Hafen. Es ist schon ziemlich spät, fünf oder halb sechs, sechzig Segler stehen neben ihren Booten an der Slipanlage im Schlick, teils böse sonnenverbrannt, aber insgesamt sehr gut gelaunt. Eine ganze Gruppe sehr flinker Helferinnen sucht die passenden Wagen raus (!), und kaum hat man die Wiese erreicht, gibt es schon ein Anlegebier ans Boot gebracht (!!) und man darf sich einen Hot Dog holen, auch in einer vegetarischen Variante (!!!). Unglaublich. Was für ein großartiger Tag.

Zweiter Wettkampftag. Max Billerbeck führt die Liste mit drei ersten Plätzen an, ihm folgen Christian Krupp und Joachim Harpprecht. Die Liste ist von BFDs gesprenkelt, der erste Streicher wird die Sache also noch mal spannend machen. Die Sonne scheint, aber die Fahnen an Land zeigen: Flaute. Beim Frühstück wird auf den See gespäht, die feinen Streifen gekräuselten Wassers werden misstrauisch beobachtet, ob sie sich halten können oder doch magersüchtig aufgeben. Sie halten, zumindest vorerst.
Ich befinde mich in der mir unbekannten Situation, eine gute Ausgangssituation von gestern verteidigen zu müssen. Die vier Rennen lang folge ich strikt der Regel: Immer Schappi hinterher, und solange der nicht umlegt, mache ich gar nichts! (Max ist zu weit weg.)

Das Juryboot, der Wolf, die Schafe

Der Wind frischt schon vor dem ersten Start ganz unerwartet auf und wird sogar richtig kräftig. Zwischendurch ist sogar Flagge Oskar mal oben, da werden die Raumgänge zu echten Actionfilmen. Leider geht dann der Wind wieder runter und nimmt Oskar mit. Raumgänge wie die, die dann folgen, habe ich noch nie erlebt: Alles geht noch mit der entsprechenden Kommunikation um Tonne Eins, dann wird es ganz still. Alle ducken sich weit vorne in ihren Booten und halten es schön grade, es gibt keine schwankenden Masten und kein Ziehen an den Schoten, auch wenn es den einen oder anderen schon sehr in den Fingern juckt. Um die Herde weißer Segel kreist das Juryboot wie ein Wolf um die Schafe. Ab und zu traut sich jemand, doch mal am Segel zu ziehen, dann braust das Motorboot heran und pfeift zur Ordnung. Es ist fast wie ein Aufatmen, als kurz vor dem Gate wieder Bewegung in die Flotte kommt.

Wir schaffen vier Rennen bei stetig abnehmendem Wind. Mit dem letzten Hauch erreichen wir erschöpft den Hafen. Und uns erreicht wieder die helfende Truppe mit Slipwagen, Bier und Schnittchen. Es ist einfach wunderbar. Später gibt es ein fantastisches Meisterschaftsessen mit Zwischenstands-Siegerehrung. Max ist immer noch vorne, immer noch gefolgt von Joachim und Christian (die beiden haben aber mittlerweile Plätze getauscht), ich bin sehr, sehr, sehr glücklich über meinen Platz 21 mit kräftig Abstand zu meinen Konkurrentinnen. Eigentlich könnte es jetzt so bleiben. Für morgen ist Flaute angesagt (diesmal wirklich).

Pinke Contender-Elfe

Tatsächlich regt sich am Sonntag kein Lüftchen. Nach dem Frühstück beginnt der Sportwart, mit seinem Auto alle Trailer nach vorne zu den Booten zu fahren. Es gibt Startverschiebung an Land. Präsi Sebastian und Christoph Homeier packen die Slackline aus. Dann doch – das Signal zum Auslaufen! Na gut. Ein bisschen Wind ist da tatsächlich. Wir fahren alle raus und warten, der Wind dreht, dreht und dreht, nimmt zu und ab, dann wird eine Wettfahrt angeschossen, aber noch auf der ersten Kreuz wieder abgebrochen. Damit bleibt es beim Zwischenstand. Max holt den verdienten Titel! Und, oh Wunder, ich darf die pinke Contender-Elfe mit nach Hause nehmen!

Das ultimativ schönste Regattaerlebnis

Bei der Siegerehrung ist noch einmal Gelegenheit, unseren großartigen Gastgebern zu danken. Sie haben uns von der ersten Minute an unglaublich liebevoll und kompetent betreut. Von der strengen, fairen Wettfahrtleitung über die super organisierte Verpflegung für so viele Leute, die vielen kleinen und großen Extras, die unser Leben leichter gemacht haben (wo fährt schon mal der Sportwart persönlich alle Trailer für uns vor?), die Großzügigkeit, mit der wir versorgt und beschenkt wurden, bis zu der Unterstützung beim An- und Ablegen – es blieben keine Wünsche offen und keine Sorgen ungehört. Die Liste der Helferinnen und Helfer, die ihr langes Wochenende dafür geopfert haben, für uns das ultimativ schönste Regattaerlebnis zu ermöglichen, ist sehr lang. Danke an alle! Oder, wie Sebastian es ausdrückte: „Könntet ihr nicht die Kieler Woche für uns organisieren?“

(Fotos und Videos von der IDM hier.)

Tags: Regatta, Deutsche Meisterschaft, Steinhude